Praktikum Selina

„Bewegen. Verbinden. Stärken.“ – Nachdem ich als Trainerin bei Bike Bridge letztes Jahr tätig war, wollte ich wissen, was es mit dem Motto von Bike Bridge auf sich hat und mehr noch: Wer und was steckt eigentlich hinter den Fahrradkursen? Ich habe deshalb für zwei Monate im Spätsommer 2020 ein Praktikum bei Bike Bridge in Freiburg gemacht.

Ich übernahm hauptsächlich die Aufgaben einer Kollegin als Projektkoordinatorin für alle Fahrradkurse in Freiburg sowie als Kurskoordinatorin für einen Fahrradkurs. Daher wurde mir in den ersten zwei Wochen von ihr gezeigt, wie alles funktioniert. Danach war ich verantwortlich für die Koordination der vier Fahrradkurse in Freiburg. Das hieß konkret: Ich war die Ansprechperson für die anderen Kurskoordinator*innen und habe beispielsweise Abschlusszertifikate an sie weitergeleitet, die Fahrräder nach Kursende wieder abgeholt, sowie Feedback-Gespräche durchgeführt. Am Ende des Kurses gab es auch einen Fahrradverkauf, bei dem die Teilnehmer*innen sich ein gebrauchtes Fahrrad erwerben konnten (Hier der kleine Hinweis: Wenn auch du ein kleines Damenfahrrad/Jugendrad noch zu Hause hast, gerne bei Bike Bridge vorbeibringen).

Als Kurskoordinator*in habe ich den Fahrradunterricht für einen zweimonatigen „Bike and Belong“ Kurs geplant und geleitet. Eine wichtige Komponente war hierbei eine einfache Kommunikation mit der Truppe, da alle unterschiedliche Deutschkenntnisse sowie unterschiedliche Sprach-, Hör- und Lesestufen hatte. Was ich vorher außerdem nicht wusste: Bike Bridge bietet Frauen mit Migrationshintergrund sowie ehemaligen Teilnehmer*innen die Möglichkeit, Fahrradlehrer*in zu werden und eine kleine Aufwandsentschädigung zu erhalten. Ich finde dies super, da Teilnehmer*innen weiter bei Bike Bridge tätig sein können und für ihre Tätigkeit wertgeschätzt werden. Dies ermöglicht auch Trainer*innen, die schon Fahrrad fahren können, den Zugang zu anderen Events bei Bike Bridge. Diese anderen Events fallen unter die Kategorie Rahmenprogramm und reichen von Kochevents bis hin zu Bildungs- und Informationsveranstaltungen. Dieses Jahr bestand das Rahmenprogramm vor allem aus einem Gymnastikkurs und einigen Bildungsveranstaltungen. Bei beiden konnte ich dran teilnehmen und fand es sehr interessant, einige Teilnehmer*innen nochmals anders kennenzulernen und von den unterschiedlichen Schwierigkeiten und Möglichkeiten für Migrant*innen in Freiburg zu hören.

Ich habe durch das Praktikum die Arbeit von Projekt- und Kurskoordinator*innen sehr zu schätzen gelernt. Ich habe gesehen, wie viel Arbeit in die Planung gesteckt wurde, denn als Trainer*in sieht man zumeist nur das Endprodukt der Arbeit des gesamten Bike Bridge Teams. Außerdem habe ich mich vermehrt mit meinen eigenen Privilegien auseinandergesetzt und eine neue Wertschätzung zu vielen Dingen und Situationen entwickelt. Es waren Kleinigkeiten, an die man gar nicht denkt und die selbstverständlich erscheinen, die mir plötzlich bewusstwurden. Beispielsweise, wie viel Freiheit ich besitze, dass ich in Freiburg so mobil bin und überallhin mit dem Fahrrad in Freiburg fahren kann. Oder wie wichtig es ist Gleichgewichtsübungen vor dem praktischen Fahrradtraining zu machen, da dies hilft Gleichgewicht für das Fahrradfahren aufzubauen. Während meines Praktikums erwies es sich außerdem als sehr hilfreich, dass ich bereits im vergangenen Jahr als Fahrradtrainerin dabei war und meine Perspektive als Freiwillige einbeziehen konnte. Die Arbeit im Team war sehr locker, offen, flexibel und ich konnte schnell Verantwortung übernehmen. Obwohl jeder einen bestimmten Teilbereich hatte, war die interne Kommunikation untereinander sehr wichtig. Wir hatten verschiedene (Online-) Teambesprechungen und haben auf unterschiedlichen Plattformen kommuniziert.

Ich schätze besonders die Momente, bei denen ich mit den Frauen im Fahrradtraining oder im Rahmenprogramm sprechen konnte. Um nur eine inspirierende Frau vorzustellen: Eine Teilnehmerin in meinem Fahrradkurs ist mir besonders im Kopf geblieben. Sie war immer zum Training da und gehörte schon eher zu den älteren Frauen, die Fahrrad lernen möchten. Sie wollte nie Pause machen und hat weitergeübt während alle anderen Frauen Pause gemacht haben. Sie hat im Vergleich zu den anderen Frauen nicht so schnelle Fortschritte erzielt, aber sie ließ sich nie unterkriegen. Sie hat mir erzählt, dass ihr Fahrrad fahren sehr viel Spaß bereitet. Sie hatte vorher nie Zeit etwas für sich zu machen und da jetzt alle Kinder groß sind, möchte sie nochmal durchstarten. Sie hat erst in Deutschland lesen und schreiben gelernt und möchte alles aufholen, was geht: Schwimmen, Fahrrad fahren… Da kann ich nur sagen: Was für eine inspirierende Persönlichkeit. Sie zeigt: Man ist nie zu alt, was zu lernen und es zählt der Grips und Durchhaltevermögen im Leben.

Ich kann deshalb sagen, dass die Zeit bei Bike Bridge in Freiburg eine tolle Erfahrung für mein erstes Praktikum war. Ich kann jedem empfehlen ein Praktikum bei Bike Bridge zu machen, da man nicht nur Einblicke in eine lokale Organisation bekommt, sondern auch in die deutschlandweite Skalierung eines sozialen Start-ups. Ich konnte alle meine Fragen beantworten, die ich vor einem Jahr als Ehrenamtliche hatte und verstehe nun den partizipatorischen und ganzheitlichen Ansatz von „Bewegen.Verbinden.Stärken“. Vielen Dank an der Stelle nochmal an das ganze Bike Bridge Team in Freiburg und den anderen Standorten für die coole Erfahrung!

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